Viele tausend Menschen haben am Freitagabend, 19. Mai 2023, die 9. Bonner Kirchennacht besucht. Unter dem Motto „Nacht der Engel“ gab es im ganzen Stadtgebiet und darüber hinaus mehr als 150 Programmangebote ab 18 Uhr bis in die Nacht hinein, alle bei freiem Eintritt.
„Mit so hoher Beteiligung an Besucherinnen und Besuchern wie mitwirkenden Kirchen haben wir an diesem Brückentag nach Himmelfahrt nicht gerechnet“, erklärte der Veranstaltungsleiter und Bonner Pressepfarrer Joachim Gerhardt. Die Kirchennacht hat sich in Bonn zu „einem geistlichen Kulturfestival“ entwickelt, das mit seiner stadtweiten Ausdehnung in dieser Art auch bundesweit einmalig sei. „Wir freuen uns, dass wir so viele Menschen aller Generationen ansprechen können, von denen mancher schon länger kein Gotteshaus mehr besucht hat.“ Das sei die große Chance einer für alle offenen Kirchennacht. Und die Resonanz zeige zugleich „die Sehnsucht vieler Menschen unterschiedlichster Herkunft nach religiösen Orten, Erfahrungen und Begegnungen“. Pfarrer Gerhardt: „Kirchennacht ist eine Einladung zur Engelbegegnung und das ist geglückt, auch wenn sich Engelkontakte sicher nicht messen lassen.“
Die Angebote reichten von Gospel bis Jazz, Lesungen, Poetry-Slam und Andachten bis zu Lagerfeuer vor der Kirche und Bilderbuchkino. Zur zentralen Eröffnung vor der Kreuzkirche am Kaiserplatz erklangen zur Harfenmusik Engelworte unter anderem hoch oben von einem Drehleiterwagen der Bonner Feuerwehr. Carsten Schneider, stellvertretender Leiter der Feuerwehr, beklagte die Angriffe auf Rettungskräfte jüngst in Ratingen und sagte: „Auch Rettungsengel brauchen Schutzengel.“ Weitere berührende Engelworte unter anderem von Pfarrer Martin Engels und Merle Niederwemmer. Antonia Wojaczek und Isabelle Menzel entzündeten dazu die Bonner Kirchennacht-Kerze an diesem Ort
Ein Hotspot in Bad Godesberg: Engel schwebt durch die Kirche
Ein Hotspot der Kirchennacht war neben den Innenstadtkirchen die katholische St. Marienkirche in Bad Godesberg, in der der Stuttgarter Aktions- und Trapezkünstler Carismo alias Martin Bukovsek als lebender Engel an einem Tuch zu Orgelmusik durch die Kirche schwebte. Live dabei auch die WDR-Lokalzeit.
Soldaten erzählen tief berührend von Kriegserfahrungen – Erstmals gemeinsame Schweigeminute für den Frieden
Besonders dichte Atmosphäre auch in der ebenfalls gut besuchten Lutherkirche in der Bonner Südstadt: Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr erzählten beklemmend persönlich von ihren Erfahrungen und Traumata aus dem Krieg, moderiert vom evangelischen Militärseelsorger Uwe Rieske. „Der Krieg verändert die Seele.“ Die Wirkung des Krieges lasse sich nicht nur in den Nachrichten aus der Ukraine spüren, „sie ist in den Gesichtern deutscher Soldatinnen und Soldaten zu finden“, so Pfarrer Rieske. Und die Gesellschaft sei gefordert, diese Erfahrungen „viel bewusster wahrzunehmen und ihnen ein öffentliches Forum geben, auch mit der Botschaft, jeden Krieg zu verhindern“. Die Fotoausstellung dazu mit großflächigen Portraitsaufnahmen der international preisgekrönten Fotografin Daniela Skrzypczak ist die nächsten Tage in der Lutherkirche noch zu sehen.
Berührend auch Punkt 20 Uhr: In den Kirchen unterbrach das Programm für eine gemeinsame „Schweigeminute für den Frieden“. Dazu brannte überall die Kirchennachts-Kerze. „Ein starkes Zeichen für unsere Hoffnung auf Frieden und Versöhnung über Bonn hinaus“, so Pfarrer Gerhardt zu dieser erstmaligen Aktion im Rahmen der Kirchennacht. „Wir werden solche Aktionen wiederholen.“
Schlange stehen vor der Helenenkapelle – Erstmals Zentrum für queere Menschen auf der Kirchennacht
Schon am frühen Abend Schlangen stehen am Turm der Kreuzkirche sowie vor der Helenenkapelle, einem romanischen Hauskirchlein in der City, eigens geöffnet zur Kirchennacht. Studierende der Bonner Uni haben hier einen konfessionsübergreifenden „Gedenkort“ für queere Persönlichkeiten gestaltet. Ein Novum im Rahmen der Kirchennacht, um auf die Situation dieser Menschengruppe in Kirche und Gesellschaft aufmerksamer zu machen.
Viel Zuspruch an vielen Orten
Zufriedenes Echo aus auch aus den Kirchen von Hangelar über Beuel bis nach Röttgen, wo Dad´s Phonkey alias Christian Padberg begleitet von Peter Portfeld am Klavier mit Loops und Soul die Menschen begeisterte. Ökumenisches Lagerfeuer und Taizé-Atmo in und rum um Sankt Sebastian in Poppelsdorf, hier gemeinsam mit der Auferstehungskirchengemeinde Venusberg und Ippendorf. Großer Zuspruch ebenso wie in Trinitatis in Endenich, wo Harfenmusik und mehr die Besucher*innen verzauberte. Gelebte herzliche Ökumene mit der Johanniskirchengemeinde Duisdorf in St. Laurentius. Munteres Chorkonzert mit Incanto in der Kessenicher Friedenskirche …
Wunderbarer Jazz, Weltmusik und Beethoven in der Schlosskirche
Die ganze Nacht volles Haus in der Schlosskirche der Universität samt Kirchencafé in der „Blauen Grotte“, wo erst Gotthard Fermor und Josef Marschall den „Propheten“ von Gibran vertonten, dann wunderbar – ein Höhepunkt der Kirchennacht – Victoria Kaftan (Sopran) und Kristina Ruge (Klavier) sich auf die geistlichen Spuren Beethovens begaben und zu guter Letzt der bekannte Cross-Over Jazzer Marcus Schinkel mit der iranstämmige Sängerin Schirin Partowi die Welt in die Kirche zauberten. Wunderbar!
Amazing Grace zum Abendsegen in der Kreuzkirche
In der Godesberger Johannes-Kirche Poetry-Slam mit Julius Esser und mehr vom Feinsten. Bis nach Mitternacht trafen sich die Menschen zum „Blue Angel“-Cocktail auf dem X-tra Platz vor der Kreuzkirche an einem lauen Frühsommerabend, den so auch nur der Himmel geschickt haben konnte. Kirchennacht-Atmosphäre pur mit Engel-Selfie-Station. Während in der evangelischen Stadtkirche zum Nachtsegen Matthias Höhn & Stefan Horz mit Dudelsack & Klavier „Amazing Grace“ zum Abendsegen anstimmten. Gänsehaut.
Nächste Kirchennacht für Bonn und Region in zwei Jahren geplant
Die nächste ökumenische Nacht der Kirchen in Bonn und der Region ist laut Gerhardt geplant in zwei Jahren. Je nach Zeitplan wieder rund um Pfingsten oder wie bei den ersten Bonner Kirchennächten am Freitag vor dem 1. Advent. Es gebe bereits erste Anmeldung weiterer Kirchen aus dem Rhein-Sieg-Kreis, künftig auch mitzumachen.
ACK-Vorsitzende Esther Runkel: „Kirchennacht ist eine große Chance“
Esther Runkel, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) Bonn, dem geistlichen Dach der Kirchennacht: „Die Kirchennacht hat wieder wunderbar Raum und Zeit geboten zum Lauschen, Singen und Träumen. Sie ist die Chance, die große Vielfalt unserer Kirchen und die Freude, die aus dem christlichen Glauben erwächst, neu zu entdecken und einen Geist zu erleben, der verbindet und Zeichen setzt für mehr Frieden und Gemeinschaft in unserer Welt.“
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